Ramadan V, Bayram und etwas sortierter

Thomas schreibt:

Einen lieben herzlichen Gruss aus immer noch Iskenderun.

Der Ramazan ist gestern zu Ende gegangen. Zelebriert habe ich dies mit Sheref und Ahmet, die mich zu einem tollen Abendessen am Meer eingeladen haben. Sie hatten auch noch einen weiteren Freund, Ekrem, einen Anwalt, mitbebracht. Ich habe also mein Obstfasten gebrochen und es gab ziemlich leckere Sachen, darunter Humus, Auberginenmuss und frittierte Kartoffelscheiben, geschaelte Tomaten mit Olivenöl, Ayran, Yougurt, Salat und lecker Brot. Puuuh, das war viel und lecker. Die 3 anderen hatten noch zusaetzlich Leberleckereien und Oliven, scharfe rote Paprika mit Knoblauch. Sheref hatte Dienst, Nachtschicht und deshalb sein Funkgeraet mit. Er hat bereits mit 14!! seine Ausbildung als Kommissar begonnen, dauerte 8 Jahre und seinen Dienst mit 22 angefangen. Jetzt ist er 25 und nach Bezeugungen der Anderen ein sehr kleverer Kerl. Ich kann auf jeden Fall sehr gut seine Freundschaft fühlen. In 2 Monaten heiratet er und kann es kaum noch erwarten. Natürlich bin ich auch schon eingeladen.

Heute morgen tönte schon der Muezzin lange lange vor Sonnenaufgang und dann wurde seine ganze ‚Predigt‘ lautstark gefühlte 2 Stunden mit Lautsprechern verstaerkt übertragen. Seine Stimme hörte sich nicht besonders sanft an, so war dies trotz Ohrstöpseln eine kleine Herausforderung. Gegen 7 Uhr, ich hab dann auch mal zwischendrin dort vorbeigeschaut, war dann die Zeremonie zu Ende. Dies ist der Anfang des 3 taegigen Zuckerfestes. Die Moslems beten ja regelmaessig 5 x am Tag und nach dem Ramazan soll dies nach besagter Zeremonie nun 2 1/2 Tage nicht der Fall sein (glaub ich aber noch nicht so richtig) In diesen Tagen gehen sie alle ihre Verwandten und Freunde besuchen, die jüngeren besuchen, beehren die Aelteren. Ja, das wird gerne gemacht und doch ist so ein bisschen eine Verpflichtung herauszuhoeren. Vielleicht kann man dies ein bisschen mit den Verwandtenbesuchen bei uns zu Weihnachten vergleichen. Es werden Süssigkeiten, Geld und Geschenke verteilt und es gibt jede Menge zu Essen.
Heute morgen hab ich auf jeden Fall das erste mal seit 30 Tagen zu einer ’normalen‘ Uhrzeit gefrühstückt. Hat sich das gut angefühlt. Und ich denke, jetzt wird ganz schnell das Gefühl des Jet-Lag verschwinden. Die Türken essen abends für meinen Geschmack sowieso etwas zu spaet (oft erst um 20 Uhr) das wird sich erst mal nicht so schnell aendern.

Was hab ich gelernt aus dem Ramazan?
Es ist kein Problem, den ganzen Tag nicht zu trinken. Theoretisch kann ich mir für die Zukunft das Tragen von Wasser ersparen.
Ein Lerneffekt, eine Bewusstseinserweiterung, den Mohammed mit dem Ramazan erwirken wollte, ist wahrzunehmen, wie es sich anfühlt, zu hungern, zu dürsten. Ja, Magdalena und ich haben dies schon bemerkt, wir haben mehr Mitgefühl entwickelt, für den hungernden und durstenden Teil der Menschen auf diesem Planeten. Allerdings: Die Kultur des, die Menschen im Ramazan haben eine Ersatzernaehrung geschaffen. Zwar ist das erste Mahl nach dem Fastentag meist relativ bescheiden, dann aber kommen Plaetchen und Tee auf den Tisch, danach Obst…. Die Familen bleiben oft die ganze Nacht auf bis es am Morgen noch mal, gegen 2:30/3 Uhr, eine Mahlzeit gibt.  …??????!!!!! Hin und wieder trafen wir Menschen, die sich im Laufe der Jahre eine bestimmte Ernaehrung angeeignet haben, damit auf gar keinen Fall Hunger auftaucht. Z.B. jemand, der morgens immer ganz viel Butter isst ‚Das reicht für den ganzen Tag…:-)‘
Für mich war es dann oft so, zumindest wenn ich gelaufen bin, das sich ab ca. 16 Uhr schon ein gewisser Durstbedarf einstellte. Es war trotzdem o.k.
Und ich hab ja Obstfasten (natürlich nur morgens und abends) gemacht, das hat mir richtig gut getan und war am Abend auf jeden Fall nicht zu schwer. Und die Wassermelonen die es hier gibt ….. und die Pfirsiche….!!!!!! Und die Kirschen….!!!! Und die frischen Feigen!!! Wow
Allen Respekt hab ich vor den Muslimen, die wirklich und von Herzen 5 x am Tag beten und im Ramazan auch an jedem Abend, gegen 21:30Uhr noch zu einem etwa 45-60 minütigen Gebetsritual in die Moschee gehen. Einige machen zudem noch weitere Übungen waehrend des Ramazan, Rezitationen von z.B. einem der Namen Allahs, die gewisse Qualitaeten und den Geist des Beters staerken.
Die Rolle der Frau im Islam: Einmal waren Magdalena und ich mit unserer Gastfamilie auch bei dem Nachtgebetsritual dabei. Magdalena musste sich ganz verhüllen und mit den anderen Frauen auf der Empore Platz nehmen. Die Maenner sollen nicht die Frauen sehen und die Frauen sollen auch keine Maenner sehen, auch noch nicht mal den Imam. Für uns befremdlich, auch wenn ich den tieferen Sinn, oder besser gesagt die Idee dahinter nachvollziehen kann. Wie wir erfahren haben, gibt es aber auch weibliche Imame (Imaminnen?? :-))

Alles in Allem hab ich Einiges besser Verstanden, viele Raetsel bleiben noch und was ich sicher weiss, so ein Ramazan Monat ist schon sehr praegend, vor allem wenn das (fast) ganze Volk mitmacht. Was ich auch weiss, unsere sonstige Praxis der Meditation ist dabei oft auf der Strecke geblieben, weil der gelebte Rhythmus oftmals nicht mit unserem vereinbar war, oder wir spaeter in der Hitze nicht die Kraft fanden. Allerdings, unsere taegliche Praxis des achtsamen Gehens ist dadurch nicht beeintraechtigt worden.

Nunmehr hab ich mich entschieden, Magdalena und Paulin haben angekündigt, übermorgen wahrscheinlich hier einzutreffen, hier in Iskenderun zu bleiben. Hab nach einer Relaxphase auch noch allerhand Kleinigkeiten zu tun.

Von hier aus faehrt keine Faehre irgendwohin mehr, weder in den Libanon, noch nach Israel, auch nicht mehr nach Aegypten. Wenn wir von der Türkei nach Tripoli im Libanon fahren wollen, müssen wir nach Mersin. Von da gibt es jede Woche eine Faehre.

Na ja, erst mal wollen wir uns treffen, dann noch bis zur syrischen Grenze laufen, dann noch syrische Flüchtlingslager besuchen, so ist der Plan z.Zt…..

Alles Liebe
Thomas

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