Luft holen

Liebe Freunde,
ich melde mich, immer noch aus Armenien, aber seit heute nicht aus Zatikavan, dem Projekt, in dem ich seit 4 1/2 Monaten arbeite.
Ich brauche ein Pause!!!!!!!!!!!!!!!!!!

In den letzten 4-5 Wochen war mein Container als Apfelring- und Apfelstuecketrockenraum zusaetzlich genutzt, der ganze Raum war voll von Trockenmalterial, auch Apfelschalen fuer Tee usw. In Girlanden haengend und auf dem Boden. Dovon hatte ich mich befreit und war so gluecklich, endlich wieder einen freien Raum zu haben. Na gut, ein paar Girlanden Apfelringe hingen dann immer noch an den Ecken. Den Raumverlust hatten zudem Wespen und Fliegen beguenstigt, so dass eben dieser uebertags vor lauter Gesurre gar nicht genutzt werden konnte.

Und das benachbarte Gewaechshaus, dass eben auch als Obsttrockenraum genutzt werden soll, wird und wird nicht fertig.

Aber das sind alles nicht wirklich die Gruende, warum ich mal Abstand brauche.

An jeder Ecke ist irgendetwas nicht fertig, Projekte sind nicht vollstaendig zu Ende gebracht. Das Muellproblem ist nicht geloest und manch einer hat auf der Farm ein Muellproblem und schmeisst es einfach da hin, wo man, er, sie gerade so ist. Eine Frau schliesst ihren kleinen Sohn in den Container ein, wenn sie Milch melken geht, der schreit dann die ganze Zeit. Eine andere alleinerziehende Frau schreit die ganze Zeit aus voller Kehle, und tut so, als sei sie die einzige auf der Farm. Die Leute haben teils keinen Sinn fuer „Schoenheit“?!

Und bis jetzt hat noch niemand wirklich meinen space-room, der auch zur Meditation, zur Stille und Einkehr gedacht ist, genutzt. Das ist irgendwie auch kein Problem, waer aber hilfreich, irgendwie gleich oder aehnlich Gesinnte zu haben.

Alle Projekte, wenn sie denn mal durch sind, werden immer wieder in Frage gestellt und verworfen. Damit hab ich auch kein Problem. Doch wenn es um so Kleinigkeiten wie das organisieren eines Festes geht, das auch noch mit allen gemeinsam geschlossen wurde, und dann von einer einzelnen Person, dem Direktor, wieder angezweifelt, und eigenmaechtig verschoben etc. wird, ohne die Allgemeinheit zu fragen oder zu informieren, dann geht das einfach nicht. Und nicht nur einmal. Und das ist nur ein kleines Beispiel und kostet unglaublich viel Energie.

Ich kann an dieser Stelle euch, dir dies nicht wirklich vermitteln, was mich alles dort schwaecht.
Letzte Woche dann der totale Breakdown. Ich war einfach nur schwach, was vielleicht auch mit einem Virus zu tun hat, wobei dieser vielleicht wahrscheinlich einfach nur da war, um zu erkennen: Da muss sich was fuer mich aendern. Bald, Sofort!!!

Und die Leute sind natuerlich arm, und Armut ist halt auch anstrengend.
Dann will der Manager der Farm, Adjoum mit Frau Milana und Kindern nach Deutschland auswandern, haben etliche Leute bestochen, sogar jemand bei der spanischen Botschaft ist dafuer offen. Da sollte dann letzte Woche Freitag endlich das Ergebnis verkuendet werden, Visa oder nicht. Stattdessen hatten sich die korrupten entschieden, wir brauchen noch mal 100 $ pro Visum, heisst 500 $. Wobei die meisten auf der Farm so um die 100 $ im Monat verdienen.

Unser Fest am Samstag war dann ganz klasse, fuer die Leute hier und die Eingeladenen aus dem Zatik Kinderheim/Sozialstation. Ich hatte mit dem Geld einer Sponsorin zwei Clows engagiert und hab nur gestaunt, wie Kinder und Erwachsene bei der Show voellig ausgeflippt sind. Und haben sich teils teils 3x bedankt, dass ich diese Clown gezahlt habe, hat sie total gluecklich gemacht, manche Augen der Erwachsenen hatten Traenen.
(Ich habe erschoepft und staunend verwundert beobachtet) Und das Ziel, dass wir vielleicht auch nen paar Kunden anlocken, hatte dieses Fest sicher nicht. Vielleicht naechstes mal, wenn es denn eines gibt.

Also heute morgen bin ich los, zu Fuss, Richtung Bughreghavan gehend, durch die Natur, viel dann alle Spannung ab, Traenen flossen, wegen der Spannungsloesung aber auch wegen des Wahrnehmens der wunderschoenen Natur drumherum. Kommt mir vor, dass die Menschen auf der Farm das nicht mehr wahrnehmen und sich im Kreis drehen – und ich vielleicht auch in den Strudel geraten war. Und auch Traenen, weil mir die Menschen dort ans Herz gewachsen sind und ich sie zuruecklasse…..
Mich hat dann jemand, der deutsch sprach, und 14 Jahre in Oesterreich gewohnt hatte, ein Stueck mitgenommen, dann an einer Bushaltestelle nach Erivan rausgesetzt. Sonniger Tag heute, Unabhaengigkeitstag (21.9.1991) von Armenien, Feiertag.

So lasse ich mich fliessen, schlaf wahrscheinlich heute in einem Hostel.
Werd ich wieder ganz, vielleicht fuer den ganzen Winter, nach Zatikavan zurueckkehren?
Werd ich vielleicht woanders wohnen und nur uebertags dort sein? Oder gelegentlich dort uebernachten?
Entscheide ich mich fuer eine Pause in Georgien – fuer ein paar Wochen – fuer das Visa muss ich eh dort hin (dann wieder neuer Stempel fuer Armenien)
Oder sollte ich schon jetzt, meine Reise im Iran fortsetzen? Ist das eine Option?
Ich weiss es einfach nicht.

Hab das Gefuehl, wenn ich nach Zatikavan zurueckkehre, werde ich mich mehr um mich kuemmern….. Vorsatz oder Realitaet???? Auf jeden Fall wird es anders sein.

Ich liebe die Menschen dort, und doch brauch ich Abstand.

PS: Asya, 34, hat mir heute von ihrem Traum letzte Nacht berichtet. Darin hat ihr ihre Mutter erzaehlt (ihr eigener Vater ist verstorben) dass ich der Vater von Asya bin. Daraufhin ist sie im Traum vor Freude auf und ab gesprungen und hat Freudenschreie ausgestossen. Und das sie mir heute mir voller Freude und Liebe verkuendet. 🙂

Ich gruesse dich/euch
Thomas

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