Herausforderungen II

Von Miyaneh nach Zanjan, 140 km

Liebe Freunde,

es geht fast staendig, ganz wenig, aber stetig bergan, erst an einem Fluss entlang, durch eine Schluch, dann komme ich in eine huegelige Hochebene, auf der sogar Felder bestellt sind.
Ich wundere mich, mutet das Land hier so karg an. Aber anscheinend gibt es genug Regen im Fruehling, so dass das Wintergetreide schon leicht austreibt. Auch hier und da Krokusse zu sehen. Doch so gut wie keine Baeume. Ich frage mich, warum nicht. Selbst wenn der Sommer heiss ist, es gibt Baeume, die mit sehr wenig Wasser auskommen. Es wuerde sicher dem Land guttun, und vielleicht auch dem Klima.

In meinem ersten Quartier gibt es gleich Schwierigkeiten. Der Boss der Roten Halbmond Station ist etwas extrem hyperaktiv, rennt immer hin und her, donnert mit den Tueren, oder rumpelt mit irgendetwas ueber uns herum. Mohammad, Hussein und Milat wollen mir sehr gerne Unterschlupf gewaehren, und der Rote Halbmond ist dafuer bekannt, dort sein zu koennen, doch der antelefonierte uebergeordnete Chef lehnt ab. Die 3 suchen nach einer Loesung, schliesslich wird er ueberredet. Allerdings, heute gibt es Fleisch und Zwiebeln zu hauf, und den 3en ist es sooo peinlich, dass sie mir mit Essen nicht dienen koennen. Ich bin auch mit Brot zufrieden. Schliesslich werden noch Datteln gefunden, und kleine Paeckchen mit Rosinen und Kichererbsen. Der Hyperaktive beruhigt sich aber in keiner Weise, und schliesslich lande ich in einem extra Zimmer….. Alles soweit ok. Aber ich kann einfach nicht einschlafen, die Energie des Hyperaktiven fuehle ich als bedrohlich. Ich setze mich zu einer Meditation, das bedrohliche loest sich auf, ich kann schlafen.

Unterwegs bekomme ich von anhaltenden Autos mehrere Uebernachtungsangebote. Das 1. hab ich zugesagt, und liegt auf dem Weg. N., 42,  hat sich im Iran/Irak Krieg verletzt, hinkt. Ist freudiger Erwartung und eskortiert mich durch das Dorf zu dem Haus seiner Mutter. Im Laufe des Abends kommen ein paar Gaeste, darunter sein Bruder, der morgens ein wenig Opium geraucht hat, ob ich auch wolle, ich lehne ab. Es herrscht grosse Interesse wird im Laufe der Zeit anschwellende NeuGIERde, erst um alles was ich zu berichten habe. Dann wird mal einfach mein Handy durchgesucht, dann mein ‚kleines Buero‘ (wo ich all meine noetigen Dinge fuer den Abend bei mir habe, kleine Notizen von den letzten Gastgebern, Uebersetzungen, Papierschnipsel fuer Friedensvoegel usw.) – ungefragt, und mir wird es langsam zu bunt. Sie wollen jetzt sehen, was ich alles in meinem Rucksack habe, und wieviel Geld ich dabei habe …. Ich kenne das von einem Erlebnis aus der Tuerkei, wo es aber darum ging, festzustellen, ob ich vielleicht ein Terrorist sei und eine Waffe dabei haette. Hin und Wieder bin ich auch bereit, alles auszubreiten, aber bei dieser NeuGier vermute ich ein ziemliches Durcheinander. Es dauert aber eine ganze Weile, bis meine Ablehnung akzeptiert ist. Ich fuehle mich die ganze Zeit penetriert, mit Fragen und Gesten und ueberlege schon, ob ich was anderes im Ort finden koennte. Grundsaetzlich fuehle ich mich aber sicher in diesem Haus. Es ist einfach grenzueberschreitend, und meine Gastgeber merken es einfach nicht. Ich verlasse den Raum, (fuehle  mich, als wuerde ich jetzt bis auf die nackte Haut ausgezogen und begutachtet) muss frische Luft haben, atmen, ueberlegen, wie es sich alles beruhigen koennte, wie kann ich mich hier und jetzt einigermassen wohl fuehlen. Als ich den Raum wieder betrete, stehen alle zu Ehren des Gastes auf, heissen mich willkommen. Es fuehlt sich ein wenig befriedet an.
Als die anderen Gaeste gegangen sind, breitet seine Mutter die Schafdecken und Unterlagen aus. Ich werde mit N. in diesem Zimmer schlafen. Ich bin soo erledigt und kann jetzt wirklich nichts weiteres mehr ertragen, will einfach meine Ruhe haben. Als ich kaum mit  N. alleine bin, sagt er ‚I am sorry‘, und gibt mir zu verstehen, dass alle Muslime ja beschnitten sind. Und so wuerde er ja gerne wissen, wie es denn aussieht, wenn es da noch ein Haeutchen gibt. Paaah, ich kann einfach nicht mehr, es reicht. Bin genervt.
(Am naechsten Tag ueberlege ich mir, es sind einfach meine Grenzen ueberschritten, in dieser Situation, ich haette auch ganz anders reagieren koennen.) Das Licht wird ausgemacht, ich versuche zu entspannen, dann noch eine Nachfrage, eine Taschenlampe scheint mir in die Augen….. Aaahhh!!!
Nachts muss ich gegen 3 Uhr zum Klo, komme wieder und setze mich ein Weilchen zu einer Meditation (das mache ich oefter mal, wenn ich morgens und abends keine Zeit dafuer finde) hin. Nach 2 oder 3 Minuten bekommt N. das mit, leuchtet wieder mit seiner Taschenlampe herum – und ich hab das Gefuehl, er denkt, ich mach da irgendeinen Hokuspokus. Wieder Spannung im Raum. Er kann dann wohl nicht mehr richtig schlafen, hoere ich morgens…..

Ich habe einen kleinen Schock erlitten, wird mir beim Gehen bewusst. Ausserdem hab ich mir ein paar Floehe oder was aehnliche Beissendes angelacht, Spiegel der Grenzueberschreitung….

Gluecklicherweise treffe ich am Abend auf Mohammad und seine 7 Arbeitskollegen. Sie verlegen Gasrohre. Mohammad ist ein ausgesprochen freundliche Wesensperson, einer von diesen Iranern, die ich besonders schaezte, freundlich, hoeflich, unblaublich schoene feine Ausstrahlung. Seine Crew ist allesamt ebenfalls nett.
Er nimmt einmal auch einfach mein Telefon, will etwas wissen, ich gehe schon leicht in innere Arlarmstellung, aber er gibt mir gleich zu verstehen, er will nur sehen, wieviel Guthaben da noch ist und etwas Geld aufladen. Wir haben eine schoenen Abend zusammen.
Es herrscht trotz Einfachheit eine gepflegte Atmosphaere. Auf dem Boden liegen Teppiche, auf denen spaeter geschlafen wird.
Zwei der Maenner fallen mir auf, sie sondern sich etwas ab, haben quasi ‚Partnerlook‘, sich gleichende Muskelshirts an, von ihrer Statur etwas zarter. Und sind ziemlich eng miteinander. Sie tuscheln immer irgendwie miteinander und die Schultern beruehren sich auffaellig oft, als sie da so sitzen. Und die Anderen scheinen das Verhalten zwar wahrzunehmen, aber nicht zu kommentieren, gar Gedanken absichtlich zu eliminieren, (fuer etwas, was es im Iran nicht gibt) integrativ und akzeptierend zu sein.

Tag zuvor kam mir ein bellender Hund von einer Unterfuehrung (trockener Bach) auf die Strasse hochgelaufen. Ich startete eine kleine Konversation, was er denn hier mache und so… Kein Mensch zu sehen. Schliesslich tauchten 2 Maenner auf. Nette Unterhaltung, ein paar Nuesse kriegte ich angeboten. Denk so bei mir beim Weiterlaufen – vielleicht die einzigste Moeglichkeit, sich mal zu treffen, mit einem Bewacher als Hund, ohne ins Gefaengnis zu kommen.

Das iranische Volleyball-NotionalTeam ist herausragend und hat in den letzten Wochen einen Asien-Cup gewonnen, wenn ich es richtig verstanden habe. Trotzdem staune ich, als ich am naechsten Abend die Maenner beim Volleyballspiel beobachte. Kleines Dorf, hohes Niveau. Gafari laedt mich ein. Er selbst ist herzensgut, aber muss immer seinen Kameraden Ali fragen, was er jetzt machen soll. Auch wenn etwas schon verstaendlich war, Ali muss es nochmal erklaeren, sonst versteht Gafari nicht. Ali wird spaeter am Abend Opium rauchen, ich die Krise kriegen. Die schwarze Masse wird um einen Metallstab geknetet. Dann wird ein anderer Draht zum Gluehen gebracht. Erst benutzen die beiden eine Metallspirale, die elektrisch ebenfalls zum gluehen gebracht wird, in der der Draht erhitzt wird. Spaeter gibt es ein Stromproblem, da wird ein Petrolium Heizer hereingeholt. Der muffelt sowieso schon etwas.
Wenn dann der gluehende Draht an das Opium gehalten wird, faengt die schwarze Masse an zu brennen und schwarzen Rauch zu entwickeln, der ueber ein Roehrchen eingeatmet wird. Iiiiihhh. Ekel. Stink. (Hatte in den letzten Tagen schon einen Mann gesehen, mit ganz schwarzen Zahnhaelsen, jetzt verstehe ich, warum)
Gafari sitzt zu Fuessen von Ali, der genuesslich raucht, und freut sich, das es seinem Freund gut geht. Gafari ist so herzensgut, fast dienend zu Ali (der ihm ja immer wieder das Leben erklaert). Er hat ein total unschluldiges Wesen.
Allerdings beschwere ich mich – es wird gelueftet – eine Stunde soll das noch dauern. Neeee – ich protestiere. Nach einer Weile gibt sich Ali dann zufrieden. Das kommt mir wie Hoelle vor, dieses Opiumrauchen. Bah!!!!

Um 7 Uhr lande ich ohne Fruehstueck auf der Strasse. Gafari muss zur Arbeit. Es herrscht dichter Nebel, nach 45 Minuten laufe ich aus einer Wolke heraus. Sonne. Klare kalte Luft. Ich freue mich ueber die Frische und die Klarheit. Die Tage zuvor war immer so ein milchiges unklares schweres Wetter.
Das Universum ist mal wieder grossartig. Mein erster Fastentag. (und kein Fruehstueck im Angebot)
All die Tage vorher hab ich durchgespielt, wie es wohl ist, soll ich es wirklich wagen zu fasten, wenn das Beherbergen am Abend normalerweise mit dem Essen einhergeht und es bestimmt nicht einfach wird, zu vermitteln, auch wenn ich dafuer schon eine Uebersetzung habe, das ich nicht esse.
Aber dieser Tag mit seiner Klarheit schenkt mir die innere Klarheit!

Ja, und ich muss mindestens 20 – 30 x des abends sagen, dass ich wirklich nichts essen, dass ich auch keine Kekse moechte, keinen schwarzen Tee, usw……………… Puh
Aber ich bin ganz klar.
Weil ich aber nicht ueberall Saefte (ohne Zucker) kriege, die ich gewoehnlich in den Tee mische, hab ich mir ueberlegt, dass ich hier und da etwas Obst zu mir nehme. Und so gibt es dann auch noch 1 1/2 Aepfel gegen Mitternacht.  🙂

Ich starte um 8:30h (nein auch kein Fruehstueck moechte ich haben, nur meinen Gingertee) aus einem idyllisch gelegenen Bergdorf. 40 km sind es bis Zanjan. 2 Tage habe ich dafuer eingeplant. Doch, ich gehe es in einem Stueck, zu meiner eigenen Ueberraschung. Es ist kalt, windig, hier und da ein kleiner Schneeschauer, dann wieder pralle Sonne, die ich in den Pausen geniesse. Bestimmt 25 x halten Autos an, wollen mich mitnehmen, No, das Wort des Tages. Wenn ich mitfahre, muss ich am naechsten Tag zurueck und den Restweg laufen. Als ich am dunklen Abend an der Schnellstrasse entlanglaufe, will ich mir was ueber die Nase ziehen, mich vermummen, und ich merke, wie sie schmerzt? Pickel?
Spaeter begreife ich, als ich supererstaunt in den Spiegel schaue, durch die Kaelte und die gleichzeitige Sonne, haben sich ein paar Blaeschen auf ihr gebildet. Uppps 🙂

Trotz Waesche bei Mohammad und Crew gibt es immer wieder neue juckende Bisse von den kleinen Viechern. Rrrrrh

Heute Schnee in Zanjan, morgen soll es auch noch mal kalt sein. Vielleicht nochmal Schnee. Uebermorgen gehe ich weiter.
Noch knappe 300 km bis Teheran. Rechtzeitig zur Visaverlaengerung werde ich dort ankommen.

Ich befinde mich zwar in einigen Herausforderungen, scheine sie meistern zu koennen. Nehm mir dann, wie hier in Zanjan Zeit, alles zu verarbeiten, wieder ganz bei mir anzukommen….. wohne in einem Hotel, damit es gelingt.
Von hier geht es an groesseren Strassen lang. !!!! Neue Herausforderungen (mit Ohrenstoepseln). Und ich gehe an der Seite, von der der Wind kommt, Abgasvermeidung. 🙂

Von Herzen
und allerherzlichen Dank fuer all eure Unterstuetzung
Thomas

 

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