Warum Amman? und erschoepft!!!!

Thomas schreibt:

Liebe LeserInnen,

Nun bin ich gestern nach Amman in Jordanien geflogen. Warum das?
Ja, es gibt einfach keinen anderen Weg nach Israel und Palestina. Die Grenze vom Libanon nach Israel/Palestina ist geschlossen, UNIFIL kontrolliert das Grenzgebiet. Auch wenn ich z.B. bei Wikipedia ueber den Libanon und deren Kriege nachlese, verstehe ich es nicht wirklich, wer wann was wie verursacht hat. Spaeter hier mehr ueber die letzten Tage im Libanon.
Auf jeden Fall bin ich jetzt in Amman und bin ziemlich erschoepft. Ich fuehle das Beduerfnis nach Pause und moechte es gerne hier umsetzen und gleichzeitig hab ich das Gefuehl, ich muesse mich beeilen. Warum? Darueber kann ich nur spekulieren. Beeilen, weil vielleicht der Winter hereinbricht und eine laengere Auszeit ansteht? Beeilen, weil ich irgendwie das Datum 10.11. im Hinterkopf fuer meine Ankunft suedlich vom See Genezereth habe – dort wollte ich einem Vipassana Retreat (Schweigezeit fuer 10 Tage) in Beit Zait teilnehmen. Nun finde ich gar keinen Termin mehr in der entsprechenden Seite. Ausserdem ist der 10.11. der letzte Tag, an dem ich letztes Jahr gelaufen bin, danach konnte ich einfach nicht mehr. Wie ihr wisst, war ich dann 6 Wochen im Zentrum von Bulgarien/Sofia und Berge.

Es sind die Zeiten von Dunkelheit und Ankunft in der Dunkelheit angebrochen. Seit der Zeitumstellung am letzten Sonntag geht die Sonne im Libanon schon um 17 Uhr unter. Und seitdem ich Beirut gehend gen Sueden verlassen habe, konnte ich nur in der Dunkelheit ein Quartier finden – und das ist ungemein anstrengend, wenn ich auch bis vor ein paar Tagen angenommen habe, dass mir das gar nicht so viel ausmacht. Es waren aber etliche Tage dabei, wo ich erst gegen 20 Uhr, 21 Uhr oder gar kurz vor Mitternacht an meiner Ruhestaette eingetroffen bin.
Ja, und dieses Beduerfnis nach Pause ist gleichzeitig eingetroffen, wobei es andere Signale gibt, die sagen: „Es ist richtig, hier und heute keine Pause einzulegen“, oder aeussere Umstaende, die mich darin bestaerken, dass das alles so schon ok ist, wenn auch Kraefte zehrend. Und das geht nun schon viele Tage so. Und zudem sind die Tage auch immer ziemlich gepackt, nicht nur mit Laufen, sondern auch mit vielen anderen Ereignissen.

So ist es z.B. heute im hier und jetzt um 21:47 Uhr Ortszeit (2 Stunden Zeitverschiebung zu Deutschland) so, dass ich eigentlich nur schlafen moechte, aber nicht richtig entspannen kann, da ich weiss, morgen muss ich schon wieder auf Quartiersuche gehen. Heute haben mir ein paar Moslems (vor einer Moschee getroffen) ein Quartier fuer die Nacht bezahlt. Wieder erst in der Dunkelheit. Ich bin sogar fast zitterig und haette eben fast sogar geweint, als ich durch ein paar voellig verdreckte Strassen gegangen bin. Geweint, weil ich einerseits so aufgeweicht und uebersensibel bin, und andererseits, weil ich es einfach nicht verstehen kann, wie die Menschen in so einem Muell leben koennen/moechten und auch fuehle, wie sehr es die Achtung gegenueber der Erde verletzt. Gestern Abend, nach Flug und Bus, hatte ich gegen 20:30 die Stadt erreicht, und bin dann Richtung Zentrum gegangen. Ich war nahezu begeistert, dass ich in dieser 3-Mio-Stadt tatsaechlich atmen kann. Das bin ich aus dem Libanon schon gar nicht mehr gewohnt – dies betrifft insbesondere die Abgase der Autos, manchmal auch die Muellzustaende. Buergersteige hier sind manchmal wirklich Buergersteige und der Altautoanteil ist hier nicht so hoch. Dann hab ich gegen 22:30 schliesslich mein Hotel (Sydney Hotel) gefunden. Der nette Dia, der es vor 2 Wochen uebernommen hat, bot mir ein Zimmer an und ich hatte gefuehlt, dass ich dableiben kann. So konnte ich mich den ganzen Morgen einem genuesslichen Langschlaf hingeben, bis ich denn erfuhr, dass ich nicht fuer die naechsten Tage bleiben darf. Bin also seit 14:30 Uhr wieder obdachlos und konnte vorzugsweise nicht eine Familie oder WG finden, bei denen ich 3-4 Tage am Stueck bleiben darf.

Nach meinem letzten Kurzartikel „Beirut Impressionen“ verliess ich denn am naechsten Morgen Beirut und auf der nach Sueden gewandten Stadtseite fand ich teils auch recht aermliche Verhaeltnisse vor. Nein, nicht wirklich slumaehnlich, aber mir kam dieses Wort immer wieder in den Sinn. Den ganzen Weg gen Sueden bin ich an der Kueste entlanggelaufen, an einer recht intensiv befahrenen Strasse…. puh, stink…. und von den 80 km Strecke sind ungefaehr 40 km gesaeumt von schmierigen Autogaragen und jede Menge Autoverkaufsstellen, Gebrauchtwagen aus Europa, Asien und USA.
Nur kurz vor der Stadt Saida und vor und um Tyr/Sour konnte ich auch mal ans Meer ran. Einmal wurde ich von Hunden vertrieben, die einen leeren Strand in Privatbesitz gewachten.
Hin und wieder bin ich dann von den Leuten am Strassenrand eingeladen worden, die da den ganzen Tag vor ihrem Laden sitzen, und hatte das zweifelhafte Vergnuegen, bei Autolaerm und Gestank eine Mahlzeit einzunehmen oder ein Tee…….. Atmen und laecheln.

Nach Beirut gab es dann gar keine privaten Quartiere mehr, ausser wenn ich Syrern begegnet bin, die haben mich gerne und ohne zu ueberlegen eingeladen. Es waren immer Hotels, Kirchen oder andere nicht private Quartiere. Die Menschen haben eine gewisse Angst und Zurueckhaltung gezeigt.
Ein Beispiel: Vor Saida treffe ich Mustafa, der mich fuer den Tag danach einlaedt. Dort angekommen gibt er mir zu verstehen, dass ich diese Nacht in einem Hotel am Meer uebernachten werde. Alle Achtung denke ich, aber auch ein bisschen enttaeuscht, dass es nicht bei ihm zu Hause ist…. Er faehrt mich dorthin und will mich dort einfach absetzen. Ich gebe ihm zu verstehen, find ich nicht soooo klasse, er solle bitte mit reinkommen. Nein, dieses Hotel wird mir bestimmt helfen….. Schliesslich drueckt er mit 15.000 LL in die Hand (etwa 10 US $). Es stellt sich heraus, das Hotel laedt mich nicht ein, kostet umgerechnet etwa 50 $, und mein vermeintlicher Gastgeber ist auch nicht mehr da. Zudem muss ich den naechsten Tag die 3 km Weg, die er mich gefahren hat, doppelt zuruecklegen, da ich den Weg ununterbrochen gehe. Was tun. Nach vielem Hin und Her lande ich im Restaurant Bella Rosa (hier wird gerade Hochzeit gefeiert und es gibt zum Empfang des Brautpaares eine tolle Tanzvorfuehrung im orientalischen maerchenhaften Stil) in der Naehe des Hotels und der Inhaber Ali versteht sofort, laedt mich zu einem tollen Essen ein und wird die Kosten fuer eben dies Hotel uebernehmen. Fruehstueck kriege ich dort auch, nachdem ich meinen Morgen“Umweg“ abgegagen bin.
Beispiel zwei: Ich treffe ein Ibrahim und Ahmed und ein paar Freunde von ihnen, die qausi im PalestineserCamp geboren wurden, alle seit mehr als 20 Jahren dort sind……. puh. Ibrahim hatte es bis nach Deutschland geschafft, ist aber wieder zurueckgeschickt worden – mit der Begruendung „Kein Asyl, weil es sich um ein altes Problem handelt“…… Besonders Ahmed moechte mich sooo gerne einladen, hat aber keine Moeglichkeit. Ich gehe weiter nach Tyr/Sour, wo ich nach vielem Hin und Her, wieder in der Dunkelheit, diesmal gegen 20:30 Uhr beim hiesigen Erzbischof und seinem Priestergefaehrten Unterschlupf finde. Dort gab es erstklassiges Essen!!!!  2 Naechte.

Danach gehe ich weiter nach Sueden und zu meiner Ueberraschung konnte ich bis mittags gehen, bis ich als Auslaender ohne besondere Genehmigung von einem Checkpoint-Soldaten mit enormen Bedauern seinerseits nicht weiterlaufen durfte (von hier sind es etwa 10 km zur Israel-Grenze) So will ich mir die Genehmigung besorgen, trampen zurueck nach Sour, ein Buero der Sicherheit ist nicht zustaendig, dann zum Armeehauptquartier, Abweisung, brauche einen libanesichen Begleiter und das Buero ist jetzt um 14:30 auch schon zu.  (Quartiersuche wieder im Dunkeln, fuendig gegen 20:30 Uhr ganz in der Naehe des Bischofsitzes, vielleicht die allerbeste Lokation in der ganzen Standt, Hotel am Wasser, nette Besitzer….) Hier waer ich schon gerne noch ein paar Tage geblieben, aber es gibt kein Angebot, kein Zeichen, und ich mache mich auf den Weg.
Ich gehe nochmal, wenn auch ohne Libanesen, zum Armeehauptquartier, wo sich herausstellt, dass ich eine Genehmigung kriegen kann, auch ohne Begleiter, allerdings 40 km noerdlich in Saida. Wie magisch findet sich ein Armeeangehoeriger, der gerade mit seinem Landrover anrollt, Ziel Saida, der mich gerne mitnehmen moechte. Er faehrt mich dann auch bis vor die Tuer. (Auf meine Frage, ob der diese Erde liebt, weiss er nicht so recht ein Antwort. Sein Auto braucht auf jeden Fall 25 Liter Sprit auf 100 km, aber er liebt grosse amerikanische Schlitten. Ausserdem kann er meine Beobachtung bestaetigen, dass die Libanesen sich gerne in ihren Autos eine heile Welt erschaffen, sauber und aufgerauemt innen, Klimaanlage und Geruchsfilter, Muell wird einfach nach draussen geworfen, ausserhalb vom Auto gibts diese „heile Welt‘ nicht) Nach einer Weile wird mir gesagt, die Bearbeitung dauert einen Tag. Dann, soll ich mich wieder setzen und ……. alles erinnert mich ein bisschen an die letzten Tage in der Tuerkei, wo ich mit Magdalena und Paulin eine Polizeiodyssee durchlief. Ich lande schliesslich beim General, Hauptkommandant, der alles ueber meine Friedenspilgerreise wissen will und einen langen Report verfasst, incl. der Namen meiner Eltern, Geschwister und ihrer Berufe. Er ruft auch die deutsche Botschaft an, die sollen schliesslich auch wissen, wo ich bin….. Und schliesslich soll ich nach 4 Stunden dort alles unterschreiben, Text in arabisch und ich tue es auch mit dem Kommentar „Can’t read it“.
Die Genehmigung wird mir nicht erteilt.
Und ich werde auch noch in den Bus nach Beirut gesetzt.
Dort finde ich dann gegen 22 Uhr ein Hotel, dass mich herzlich gerne einlaedt, das Parisean mit 4 Sternen!!!! Am naechsten Morgen wieder doppeldeutige Zeichen, ausruhen duerfen hier (Bett ist schon wieder gerichtet) oder weiter (ich fuehle vom Hotelmanager kein Zeichen, dass ich nach einem weiteren Aufenthalt fragen koennte.)

Jean, Libanese und UNIFIL-Soldat, den ich beim Eintreffen beim Erzbischof vom Suedlibanon getroffen hatte, war so begeistert von dem Projekt, dass er mir spontan zugesagt hat, meinen Rueckflug nach der Vollendung der Friedenpilgerreise nach Deutschland zu buchen. Ich solle ihm meine Daten geben und in Kontakt bleiben. Naja bis dahin is es noch lange hin, vielleicht koenne er mir den Flug nach Amman buchen. Ja, kein Problem. Hab ihm alles geschickt, Bestaetigung von ihm erhalten, das Ticket dann aber doch nicht. Naja…. 130 Euro, Beirut – Amman. Herzlichen Dank an meine lieben Spender in Deutschland.

Und hier noch ein paar Einzelheiten, die ich jetzt nicht in den Bericht eingearbeitet habe, aber euch gerne wissen lassen will.

In Beirut war ich auch von Strassenlaerm gestresst, tolles erstklassiges, alternatives Hostel, allerdings direkt an einer Autobahn….

Saida, tolle Altstadt/Basar, toller Hafen. Wunderbares Fotoprojekt in Erinnerung an einen Fotografen, der um die 50er Jahre alle Kaufleute in der Stadt vor ihren Geschaeften fotografiert hat, jetzt Ausstellung dieser Fotos an alten Wirkungsstaetten.
Im Sueden wird ein neuer Hafen gebaut oder ein Gebiet aufgeschuettet. Der riesiege stinkende Muellberg wird abgetragen und im Meer versenkt……

Tyr/Sour auch eine tolle alte Stadt, viele archaeologische Plaetze, die abgezaeunt jetzt und besonders spaeter sicher viele Touristen anziehen werden. Auch supertoller Hafen.

In Beirut und auch schon vorher hatte ich mal wieder angefangen, Zucker zu essen und Kaffee zu trinken. Der libanesische Kaffee, Art Espresso, aehnlich dem tuerkischen Kaffee, wird meist mit Zucker serviert, bzw. ok, mal wieder ne Ausnahme. Der Tee ist fast immer suess, wenn ich nicht schnell genug bin. Das Brot hat mehr Zucker als Salz im Teig. Der Verzehr von Zucker ist gefaehrlich fuer mich. Gibt mit das Gefuehl, das ich mehr leisten kann, als gut fuer mich ist, danach gerne so eine Art Energieabfall, auch Tage spaeter. Hoffe, dass ich die Kraft habe, mich besser zu ernaehren.
Es gibt auch hier unglaublich tolle Saefte, hatte heute 2 grosse Mangoshakes, pures Vergnuegen.

Im Sueden vom Libanon ist UNIFIL, eine Blauhelmtruppe der UN stationiert. Die machen hier ne tolle Arbeit. Hab das Gefuehl, dass vielleicht am meisten, die Anwesenheit der Menschen aus anderen Kulturen, Korea, Europa, Amerika, Afrika, hier das kollektive Bewusssein in sehr positiver Weise beeinflusst. Vielleicht macht sogar dies letztendlich den Frieden moeglich.

Und ein Nachtrag zu Tripoli: mein Ankunftsort im Libanon
Es ist schon merkwuerdig, wenn am Freitag zum Mittagsgebet die Panzer vor den Moscheeen vorfahren, weil diese gerne in letzter Zeit von Islamisten angegriffen wurden. Gestern erzaehlte mir der Taxifahrer auf dem Weg zum Flughafen: Es wird gerade in Tripoli geschossen……

Wie gehts hier weiter:
Schritt fuer Schritt, Atem fuer Atem, Im Moment, Immer Praesent

Von Herzen
Thomas

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